Kontrahenten, die beide im Sinne von EMIR als finanzielle Gegenparteien gelten, obliegt nach Art. 4 Abs. EMIR eine Pflicht zum Clearing von OTC Derivaten über zentrale Gegenparteien (Central Counterparties).
Selbiges gilt auch, wenn beide Kontrahenten nichtfinanzielle Gegenparteien sind, jedoch jeweils oberhalb der Clearing Schwelle eingestuft werden oder auch wenn nur ein Kontrahent eine nichtfinanzielle Gegenparteien oberhalb Clearing Schwelle und der andere Kontrahent eine finanzielle Gegenpartei ist.
Kontrahenten mit einem Sitz außerhalb der EU sind hierbei so zu behandeln, als ob diese in der EU ansässig sind.
Die Pflicht zum Clearing über zentrale Gegenparteien greift nach Art. 4 Abs. EMIR auch, wenn beide Kontrahenten einen Sitz außerhalb der EU haben, das abgeschlossene OTC Derivat jedoch innerhalb der Union eine unmittelbare, wesentliche und vorhersehbare Auswirkungen mit sich bringt.
Die Clearingpflicht über eine Central Counterparty (CCP) gilt nur für ausgewählte OTC Derivatekategorien ab einen festgelegten Startdatum und erst nachdem die diesbezüglichen technischen Standards gemäß EU Verordnung in Kraft getreten sind.
Nach Art. 5 Abs. 2 EMIR muss die ESMA nach einer erstmalig durch eine nationale Aufsichtsbehörde ausgesprochen Genehmigung, dass eine bestimmte Kategorie von OTC Derivaten über eine CCP gecleart werden muss, innerhalb von sechs Monaten der EU Kommission die hiezu erforderlichen technischen Implementierungsstandard zur Billigung vorlegen.
Nach Art. 5 Abs. 2 a) bis c) EMIR ist aus dem Implementierungsstandards der ESMA unter anderem die Bezeichnung der OTC Derivatekategorie, der Clearingpflicht Startzeitpunkt und eine Mindestrestlaufzeit der Kontrakte zu entnehmen. Dadurch werden Kontrakte nachträglich clearingpflichtig, die zwar vor dem Inkrafttreten der Clearingpflicht abgeschlossen wurden aber zum Start der Clearingpflicht die vorgegebene Mindestrestlaufzeit überschreiten.
Begriffsdefinition Derivatekategorie nach Art. 2 Abs. 6 EMIR:
„Eine Untergruppe von Derivaten, denen allgemeine und wesentliche Eigenschaften gemeinsam sind, darunter mindestens das Verhältnis zu dem zugrundeliegenden Vermögenswert, die Art des zugrundeliegenden Vermögenswertes und die Währung des Nominalwerts. Derivate derselben Kategorie können unterschiedliche Fälligkeiten haben“.
Derivatekategorien, die bei einer CCP bereits (Stand Ende 2014) zum Clearing zugelassen sind:
Zentrale Gegenpartei |
Zum Clearing angebotene OTC Kategorien |
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Nasdaq OMX Clearing AB |
» Equity » Debt |
» Commodities » Climate/ Emission |
» Interest Rate |
KDPW CCP |
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» Interest Rate |
Eurex Clearing AG |
» Debt |
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» Interest Rate |
LCH Clearnet SA |
» Credit |
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European Comm. Clearing |
» Commodities |
» Climate/ Emission |
» Freight |
LCH Clearnet Ltd |
» Equity » Debt |
» Commodities » Climate/ Emission |
» Interest Rate » Freight » Currencies |
CME Clearing Europe Ltd |
» Interest Rate |
» Commodities |
» Freight |
Anmerkung: b.a.w. keine Clearingpflicht für Zins- und Kreditderivate |
Das Clearing eines derivativen OTC Kontraktes bei einer durch die ESMA zugelassenen bzw. im Falle eines Sitzes außerhalb der europäischen Union von der ESMA anerkannten CCP wird durch eine Gegenpartei beauftragt, die entweder bei dieser CCP selbst als Clearingmitglied registriert ist oder zumindest als Kunde mit einem zu dieser CCP zugehörigen Clearingmitglied eine indirekte Clearingvereinbarung abgeschlossen hat.
Details zur Ausgestaltung von indirekten Clearingvereinbarungen werden im Art. 2 der EU Verordnung Nr. 149/2013 geregelt. Bei der Ausgestaltung von Clearingvereinbarungen (z.B. Rahmenvereinbarung, Service Level Agreement, Ergänzung des abgeschlossenen DRV mittels eines Anhanges für über zentrale Gegenparteien abzuwickelnde Finanztermingeschäfte) – die den Übergang in das Clearing regeln - muss unter Umständen beachtet werden, dass nach Art. 296 Abs. 2c CRR i. V. m. Art. 305 Abs. 2c CRR es zur aufsichtsrechtliche Anerkennung eines Risikogewichts für die Abrechnung von Derivategeschäften über eine qualifizierte CCP auch die Beibringung eines Rechtsgutachten (siehe Art. 4 Abs. 1 Nr. 88 CRR) bedarf.
Letztendlich müssen die der Clearingpflicht unterliegende Gegenparteien technisch und organisatorisch befähigt sein, ihre bilateral abgeschlossenen OTC Kontrakte über eine CCP zu clearen.
Für den Fall, dass das Clearing über ein Clearingmitglied erfolgen soll, muss nach Art. 39 Abs. 5 EMIR sicher gestellt werden, dass der geclearte OTC Kontrakt von den Vermögensgegenständen des Clearingmitglieds separiert wird. Diese ist beispielsweise mittels einer individuellen Einzelkunden Kontentrennung oder einer gemeinschaftliche Unterscheidung via Omnibuskunden Kontentrennung möglich.
Nach Art. 39 Abs. 7 EMIR hat ein Clearingmitglied seine Kunden über die von ihm angebotenen Kontendifferenzierungsmodelle im Wege einer öffentlich zugänglichen Dokumentation aufzuklären.
Nach Art. 38 Abs. 1 EMIR muss dieser diesbezüglich auch eine öffentlich zugängliche Preisübersicht bereitstellen.
Geschäftsabschlussvereinbarung |
Der Geschäftsabschluss eines OTC Kontraktes kann grundsätzlich über einen beliebigen Kommunikationsweg zu Stande kommen und ist je nach Absprache zumindest von einer Gegenpartei zu erfassen. |
Damit eine taggleiche Abgabe in das Clearing möglich ist, muss die Geschäftsbestätigung (Confirmation) dem anderen Kontrahenten rechtzeitig vorliegen. |
Für den Fall, dass eine taggleiche Abgabe in das Clearing nicht mehr möglich war liegt ein ungecleartes Geschäft vor. Die daraus resultierenden Konsequenzen werden im DRV Anhang für über zentrale Gegenparteien abzuwickelnde Finanztermingeschäfte geregelt. |
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Abgabe des Geschäftsabschlusses in das Clearing |
Zunächst wird seitens des Clearingmitgliedes anhand der mit dem Kunden ausgestalteten bilateralen Vereinbarungen (z.B. Vorgaben für Währung und Sicherheiten) geprüft, ob es das Geschäft akzeptiert wird. |
Seitens der zentralen Gegenpartei werden erneut Prüfungen durchgeführt, sobald diese die vom Clearingmitglied akzeptierten Geschäfte weitergeleitet bekommt. |
Ablehnungen durch die zentrale Gegenpartei oder durch das Clearingmitglied können zu einem ungeclearten Geschäft führen. Die daraus resultierenden Konsequenzen werden im DRV Anhang für über zentrale Gegenparteien abzuwickelnde Finanztermingeschäfte geregelt. |
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Besicherung mit Initial Margin und Variation Margin |
Die geclearten OTC Geschäfte werden von der zentralen Gegenpartei zwecks Ermittlungen der fälligen Variation Margin und der tagesaktuellen Initial Margin bis zum Laufzeitende mindestens täglich bewertet. |
Die zentrale Gegenpartei stellt anschließend den zum Vortag ermittelten Unterschiedsbetrag in Rechnung. |
Die Zahlung des fälligen Betrages an das Clearingmitglied (Gutschrift) bzw. der Einzug des fälligen Betrages vom Clearingmitglied (Lastschrift) erfolgt unverzüglich in der
Währung: |
Bei der LCH Clearnet Ltd erfolgen die Zahlungen über Konten, die das Clearingmitglied bei von LCH benannten Anbietern zu unterhalten hat. |
Durch die Regelungen im Art. 4 Abs. 2 EMIR kann für gruppeninterne OTC Derivate bei der BaFin eine Freistellung von der Clearingpflicht beantragt werden. Die Absichtsmitteilung muss der BaFin mindestens 30 Kalendertage vor der Inanspruchnahme vorliegen, da daraufhin ein Notifizierungsverfahren mit einer 30-tägigen Nichteinwendungsfrist beginnt.
Art. 3 EMIR definiert gruppeninterne Geschäfte. Hiernach müssen die Gegenparteien ein Teil desselben institutsbezogenen Sicherungssystems nach Artikel 80 Abs. 8 der Richtlinie 2006/48/EG und finanzielle Gegenparteien, Finanzholdinggesellschaften, Finanzinstitute oder den jeweiligen Aufsichtsvorschriften unterliegende Anbieter von Nebendienstleistungen sein.
Über einen Clearing Broker bei einer zentralen Gegenpartei ( CCP) ins Clearing gebrachte OTC Geschäfte unterliegen dem "Principal to Principal Modell". Diesem Modell nach entstehen beim Clearen eines Kundengeschäftes über einen Clearing Broker zwei Rechtsbeziehungen, und zwar zwischen Clearing Broker und seinem Kunden sowie zwischen Clearing Broker und dem CCP (z.B. Clearing House LCH).
Die Rechtsbeziehung zwischen Kunde und Clearing Broker basiert dabei grundsätzlich auf einer miteinander abgeschlossenen Vertragsdokumentation für das Clearing.
Die Rechtsbeziehung zwischen CCP und Clearing Broker basiert hingegen auf dem Regelwerk der jeweiligen zentralen Gegenpartei.
Eine sog. Clearing-Vertragskette entsteht mit der Aufnahme eines OTC Geschäftes zum Clearing durch den CCP und der Bestätigung des Clearing Brokers, d.h. es kommt zwischen dem Clearing Broker und seinem Kunden gleichzeitig ein identisches, jedoch spiegelbildliches OTC Geschäft zu Stande.
Zudem ergibt sich aus Artikel 305 CRR, dass die über einen Clearing Broker geclearten Geschäfte gegen diesen eingestellt werden müssen.
Zu Bedenken ist auch, dass ein gecleartes und ein bilaterales OTC Geschäft eine unterschiedliche Eigenmittelhinterlegung erfordern, so dass es für die Zwecke des Clearings empfehlenswert sein könnte, den Kontrahenten je Geschäftsabwicklungsverfahren technisch separat anzulegen.
Im Zusammenhang mit dem OTC Clearing sollte in der Praxis auch das anzuwendende Insolvenzrecht seine Berücksichtigung finden, den ein Kunde hat bei einem Ausfall des Clearing Brokers grundsätzlich keine direkten Ansprüche gegenüber dem CCP.
Im Falle eines Insolvenzverfahrens hätte ein Kunde lediglich bestehende Ansprüche gegenüber dem Clearing Broker. Von daher sollte ein Kunde gegenüber seinem Clearing Broker daran interessiert sein, dass dieser ihm vertraglich Sicherungsrechte in Bezug auf die durch den Clearing Broker bei der CCP gehaltenen Position einräumt.
Dem CCP obliegt das Besicherungsmanagement. Die aus einem Kundenportfolio resultierenden Forderungen und Verbindlichkeiten verrechnet der Clearing Broker gegenüber dem CCP und leitet diese gleichzeitig an seinen Kunden 1:1 durch.